Der Olymp liegt am Ruppberg

Bericht: Karsten Tischer / insuedthueringen.de, Foto: Gerhard König

17 000 Euro kommen beim sechsten Olympia-Kick von „Freies Wort hilft“ für den guten Zweck zusammen. Thüringens Wintersport-Asse gewinnen 7:5. Wer machte in Zella-Mehlis die beste Figur auf Rasen?

Vielleicht wird Erik Lesser ja noch Bundestrainer. Nicht im Biathlon, sondern im Fußball. Es ist der 34-jährige Ex-Biathlet mit der Vorliebe für Fußball-Drittligist Erzgebirge Aue, der sich eine gute halbe Stunde vor Anpfiff des sechsten Olympia-Kicks von „ Freies Wort hilft“ die noch unbeschriebene Taktiktafel in der Kabine greift, Magnete darauf hin- und herschiebt und Namen unter ihnen verteilt.

Lesser habe, wird Rennrodler Max Langenhan später erzählen, bereits nach dem gemeinsamen Training der beiden mit Gastgeber FC Zella-Mehlis gesehen, was notwendig ist, um den dann am Samstag zum Gegner werdenden Klub vom Ruppberg niederzuringen. „Wir wollten offensiv wenigstens ein bisschen was hinbekommen, weil bei uns spielt natürlich nicht jeder so oft Fußball“, sagt Langenhan, 2022 Olympia-Sechster, der, wenn gegen den Ball getreten wird, mit seinen 1,90 Metern und 100 Kilo eigentlich stets zum Innenverteidiger berufen wird. Am Samstag ist das anders. Lesser beordert den Rennrodler in die Sturmspitze. Eine Entscheidung, die die Tore in der zweiten Halbzeit wie reife Früchte fallen lässt.
600 Karten reichen nicht

Bis die Zuschauer die Thüringer Wintersport-Stars von damals und heute allerdings am Ball sehen, heißt es geduldig sein. Der Anpfiff des sechsten Olympia-Kicks für den guten Zweck verzögert sich um 20 Minuten. Der Andrang in der Arena „Schöne Aussicht“ ist am Samstag so groß, dass die 600 gedruckten Karten am Einlass nicht ausreichen. Rund 900 Besucher, schätzt „Freies Wort hilft“-Vorsitzender Kersten Mey am Abend, seien es am Ende auf den Rängen gewesen.

Kein Wunder. Das Who’s Who des Thüringer Wintersports hat sich für das Benefizspiel, dessen Einnahmen an die Tafeln in Zella-Mehlis und Suhl fließen, angekündigt. Olympiasieger und Weltmeister, auf und neben dem Platz. Leistungssportler, die zum Teil mitten in der Vorbereitung auf den nächsten Winter stecken und trotzdem das Risiko mit einem glücklichen Lächeln eingehen, sich in einer Sportart zu verletzen, die ihnen ganz andere Fähigkeiten abverlangt als Loipe, Schanze oder Eiskanal.

„Die Sprints machen mich fertig!“, ächzt Skeleton-Olympiasieger Christopher Grotheer bereits nach drei Spielminuten. Der Erlauer kickt dennoch weiter und bringt die Olympia-Auswahl in der 12. Minute mit 1:0 in Führung.

Viele Antritte, permanent drehen und wenden: Fußball ist ein hochintensives Spiel, sagt Jens Filbrich, einst Olympia-Zweiter im Skilanglauf, heute Lauf- und Athletiktrainer der deutschen B-Mannschaft im Biathlon.

Filbrich weiß nur zu gut, was beim Fußball alles schiefgehen kann. Als seine Trainingsgruppe im April 2006 für einen Rad-Lehrgang in der Toskana weilte und nach stundenlangem Radfahren etwas kicken wollte, um sich aufzulockern, verdrehte sich Axel Teichmann das Sprunggelenk. Wochenlang fiel der Weltmeister aus. Doch die Geschichte hatte ein Happy End, erzählt Jens Filbrich. Im darauffolgenden Winter wurde Teichmann zum zweiten Mal Weltmeister.

Die Cheftrainer am Bierwagen
Der Samstag blieb ein verletzungsfreier. Und wenn es doch einmal kurz zwickte wie bei Bob-Anschieber Erec Bruckert, der sich nach etwas mehr als einer Stunde an die Wade fasste, wurden die Krämpfe von der Seitenlinie mit humorvoll-heilenden Worten behandelt: „Was gezerrt? Ach, hör auf!“, bringt Jan Eichhorn den zur Auswechselbank schauenden Bruckert zum Grinsen.

Apropos Jan Eichhorn: Der Rennrodel-Trainer schlüpfte am Samstag in die Rolle des Fußballlehrers. Gemeinsam mit Kollege Andi Langenhan analysierte er die Partie den Großteil der ersten Halbzeit von erhöhter Position aus. Oder wie Erik Schneider auf der Gegenseite an der Trainerbank scherzte: „Die zwei Coaches stehen drüben beim Bierwagen.“

Offenbar hat Eichhorn hier die richtigen Dinge gesehen. Nach der Halbzeit (und einem 1:2-Rückstand für die Olympia-Auswahl) wandert er hinüber zur Trainerbank. „Den Arndt brauchen wir ein bisschen weiter vorne. Wenn er den Ball hat, geht es vorwärts“, meint der 41-Jährige. Die Umstellung zeigt Wirkung. Endlich fallen die Tore wie am Fließband. Bob-Weltmeister Maximilian Arndt trifft nicht nur selbst, er bereitet auch vor.

Auch deshalb trägt sich Rennrodler Max Langenhan am Samstag so oft in die Toreliste ein wie noch nie zuvor in einem Spiel. „Ich kann mich nicht erinnern, dass ich mal so viele Tore in einem Spiel geschossen habe.“ Dabei kickt der 23-Jährige aus Ernstroda, seitdem er klein ist. Erik Lessers Entscheidung, den 1,90-Meter-Mann, der sonst stets als Innenverteidiger gefragt ist, in den Sturm zu stellen, hat sich ausgezahlt. Fünf Tore erzielt Max Langenhan in der zweiten Halbzeit. 7:5 gewinnt die Olympia-Auswahl.

Max Langenhan hat die Schlüsse aus der neu angefachten Fußball-Lust für sich bereits vor dem Olympia-Kick gezogen. Er hat sich beim FC Zella-Mehlis angemeldet – als „Ausgleich zum normalen Leistungssportalltag“, wie er sagt. Und Erik Lesser? Was plant der Ex-Biathlet im Ruhestand? Fußball spielen oder Trainer sein – oder beides? Lesser ist zwiegespalten. Er müsste sich dann ja entscheiden zwischen Zella-Mehlis und seinen „Kumpels aus Barchfeld“. Gewonnen habe aber ohnehin schon lange jemand anderes: die eigene Familie, für die nun endlich mehr Zeit ist.

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